
Die Tür öffnet sich nach innen
Eberhard Kuhl
28.12.2025
»Ein Mensch ist in einem Zimmer gefangen, wenn die Tür unversperrt ist, sich nach innen öffnet, er aber nicht auf die Idee kommt zu ziehen, statt gegen sie zu drücken.«
Ludwig Wittgenstein
Hand aufs Herz: Wie oft haben Sie in den letzten Monaten gedrückt?
Als Führungskraft sind wir darauf trainiert, Widerstände zu überwinden. Wenn sich uns eine Tür – ein Problem, eine Krise, ein Umsatzeinbruch – in den Weg stellt, reagieren wir oft instinktiv. Wir machen Druck. Wir setzen mehr Energie ein. Wir erhöhen die Schlagzahl, optimieren die Prozesse, fordern mehr von unseren Teams und noch mehr von uns selbst.
Wir drücken gegen die Tür. Mit der ganzen Kraft unserer Verantwortung. Und wenn sie sich nicht bewegt, drücken wir noch fester.
Das Ergebnis? Erschöpfung. Frustration. Ein Team, das ausbrennt. Und das beklemmende Gefühl, in einer Situation gefangen zu sein, aus der es keinen Ausweg gibt. Wir fühlen uns machtlos, obwohl wir doch eigentlich die Macher sind.
Der Moment des Innehaltens
Wittgensteins Zitat ist deshalb so brillant, weil es nicht sagt, dass die Tür verschlossen ist. Das Problem ist nicht die Tür. Das Problem ist nicht der Markt, nicht der Fachkräftemangel und nicht die Konkurrenz.
Das Problem ist unsere Bewegungsrichtung.
Was würde passieren, wenn Sie aufhören zu drücken?
Stellen Sie sich vor, Sie lassen für einen Moment los. Sie treten einen Schritt zurück. Sie atmen durch. Dieser Schritt zurück ist oft der schwerste für eine Führungskraft, weil er sich wie Aufgeben anfühlt. Aber genau dieser Schritt schafft den Raum, den Sie brauchen.
Ziehen statt Drücken: Was heißt das im Business?
Bei den Mitarbeitern: Statt durch Druck und Mikromanagement (Drücken) mehr Leistung erzwingen zu wollen, könnten Sie fragen, was das Team braucht, um gut arbeiten zu können, und Vertrauen schenken (Ziehen).
Im Vertrieb: Statt den Markt mit noch lauteren Botschaften zu überfluten (Drücken), könnten Sie beginnen, Ihren Kunden wirklich zuzuhören und ihre ungesagten Bedürfnisse zu verstehen (Ziehen).
Bei Ihnen selbst: Statt Disziplin bis zur Selbstaufgabe (Drücken), erlauben Sie sich Pausen zur Reflexion, um wieder klar sehen zu können (Ziehen).
Die Einladung
Vielleicht stehen Sie gerade vor genau so einer Tür. Sie haben alles versucht. Sie haben gedrückt, gerüttelt und gekämpft.
Probieren Sie es heute anders. Hören Sie auf, Kraft aufzuwenden. Treten Sie einen Schritt zurück. Greifen Sie die Klinke ganz entspannt.
Und dann ziehen Sie die Tür einfach auf.
Oft sind wir nicht gefangen, weil es keine Lösung gibt. Sondern weil die Lösung so viel einfacher ist, als unser Kampfgeist es wahrhaben will.